Die Einzelausstellung DIE QUADRATISCHE HEIMAT wurde ab dem 12. Juli 2023 für einen Monat im Ublacker Hausl in München, Deutschland, gezeigt.
Die Rede, die ich bei der Eröffnungsfeier am ersten Tag der Ausstellung gehalten habe, ist nachstehend wiedergegeben.
Vielen Dank, dass Sie heute so zahlreich erschienen sind. Ich fühle mich sehr geehrt, eine so wunderbare Ausstellung veranstalten zu dürfen.
Ich möchte mich von Herzen bei denen bedanken, die mich dabei unterstützt haben: dem Bildhauer Karel Fron, den Mitarbeitern der Galerie sowie meinen Freunden in München.
Lassen Sie mich zur Eröffnung eine kurze Rede halten. Ich bitte meine Freundin Veronika, sie zu übersetzen.
Als ich im Jahre 1984, also vor 39 Jahren, das erste Mal nach München kam, war ich gerade 18 Jahre alt.
Ich bin von Paris getrampt, und als ich in München ankam war es spät in der Nacht und regnete. Ich erinnere mich, dass ich auf einem Platz in der Nähe des Rathauses zurückgelassene Stühle einsammelte, um auf ihnen meinen Schlafsack auszubreiten.
Übrigens geht man in Japan mit 18 eigentlich noch zur Schule, aber ich habe mittendrin abgebrochen.
Die Schulbildung in Japan legt mehr Wert auf die Erziehung zur Harmonie (man könnte auch sagen Gleichförmigkeit) als darauf , die Individualität zu wecken. Man ist gezwungen, die gleiche Kleidung und Taschen zu tragen, und sich als Junge die Haare lang wachsen zu lassen ist unverzeihlich. Wer durch auffällige Kleidung aus der Masse heraussticht oder eine andere Meinung äußert, ist bei den Lehrern nicht willkommen. Ich konnte diesen eingeengten Alltag nicht mehr ertragen und bin ich aus Japan geflohen.
Nach etwa acht Monaten bin ich nach Japan zurückgekehrt , bestand die Aufnahmeprüfung für die Universität und studierte. In der Zeit bin ich fast jedes Jahr nach Europa gefahren und mehrere Monate rumgereist.
Die Atmosphäre in Europa war voller Freiheit. Die Leute, die ich traf, hatten Freude daran zu trinken und zu diskutieren und waren immer neugierig, meine persönliche Meinung hören.
Es war nicht wichtig, was ich als durchschnittlicher Japaner dachte, sondern was ich persönlich dachte. Wichtiger als Nationalität oder Bildungshintergrund war die Frage „Was für ein Mensch bist du?“ und ich spürte die schonungslose Härte, wie ein Erwachsener behandelt zu werden, aber es war etwas Neues und angenehm. Bis dahin hatte ich kein Selbstvertrauen, und es hat mich stärker gemacht.
Nun, die hier heute ausgestellten Portraits zeigen also Menschen, die in einer sogenannten Doya-gai, einem Problembezirk in der Nähe von Tokyo leben.
Die meisten von ihnen leben von einer geringen Wohlfahrtg. Es sind Menschen, die wegen einer Reihe unglücklicher Umstände ihre Arbeit, ihr Eigentum und sogar ihre Familien verloren haben.
Wenn ich sie ansehe stellt sich mir die Frage, woran die Menschen bis zum Schluss festhalten.
Ironischerweise tritt das „Selbst“ besonders stark in den Vordergrund, wenn Menschen in so eine Situation geraten. Man könnte es auch „Stolz“ nennen und ich denke es ist schön.
Was für einen Eindruck machen die Fotos auf Sie?
Wenn mir in meiner Jugend in Europa nicht die Bedeutung des Respekts dem Einzelnen gegenüber beigebracht worden wäre, wäre mir ihre Schönheit vielleicht nie aufgefallen.
Bis heute ist München eine sehr vertraute Stadt voller Erinnerungen und toller Freunde, deshalb freue ich mich besonders, dass Sie in dieser Stadt meine erste Einzelausstellung in Europa sehen können.
Vielen Dank für Ihre Zeit heute.
(übersetzt von Veronika Senda)